Das französische Sozialversicherungssystem II - Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten

2024

Die Leistungen der Arbeitsunfalls- und Berufskrankheitsversicherung werden von den Ortskrankenkassen (CPAM, bzw. CGSS in den französischen Überseegebieten bzw. CRAM in der Pariser Region) zugeteilt.

Begriffsbestimmung

Berufskrankheiten: Berufskrankheiten werden als die Folge einer mehr oder weniger dauerhaften Belastung durch Risikofaktoren im Berufsleben angesehen. Berufskrankheiten werden in eine Liste aufgenommen. Im Einzelfall besteht auch die Möglichkeit außerhalb der geführten Liste Berufskrankheiten erkannt zu bekommen.

Arbeitnehmer und den Arbeitnehmern gleichgestellte Personen sind ab dem Einstellungs-datum – also ohne Karenzfrist – gegen berufsbedingte Risiken geschützt. Dieser Schutz schließt ebenfalls andere Personenkreise (Schüler in technischen Lehreinrichtungen, Lehrlinge, Praktikanten, Teilnehmer beruflicher Eingliederungsmaßnahmen, arbeitende Häftlinge, usw.) ein.

Ein Arbeitsunfall ist ein Unfall, der sich durch die Arbeit oder in dessen Rahmen ereignet. Zu den Arbeitsunfällen werden auch die Wegeunfälle gezählt, das heißt Unfälle auf dem Weg von und zur Arbeit sowie auf dem Weg von und zu der Stätte, wo der Arbeitnehmer üblicherweise seine Mahlzeit zu sich nimmt.

Formalitäten

Im Rahmen einer Berufskrankheit muss der Versicherte seiner Krankenkasse den Anmeldungsvordruck innerhalb von 14 Tagen ab Beginn der ärztlichen Krankmeldung einreichen.

Der Verletzte eines Arbeitsunfalls muss den Unfall seinem Arbeitgeber binnen 24 Stunden melden. Der Arbeitgeber muss den Unfall binnen 48 Stunden der Ortskrankenkasse melden und dem Arbeitnehmer einen Unfallschein ausstellen, was den Verunfallten von den Selbstbehalten und Behandlungskosten in Höhe der tariflich festgesetzten Beträge, befreit.

Entschädigung

Sofort mit dem Unfall (bzw. der Feststellung der Berufskrankheit) beginnt eine Zeitphase vorübergehender (vollständiger oder teilweiser) Arbeitsunfähigkeit. Mit der Heilung der Krankheit oder der Verletzungen endet diese Zeitphase. Der Verletzte hat Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitsunfallversicherung, ohne dass dies an irgendwelche Bedingungen bezüglich der vorangehenden Versicherungszeiten oder Tätigkeitsdauer gebunden ist.

A - LEISTUNGEN BEI VORÜBERGEHENDER ARBEITSUNFÄHIGKEIT

1 - Übernahme der Behandlungskosten

Die Sachleistungen der Arbeitsunfallversicherung werden unter den gleichen Bedingungen wie die Sachleistungen der Krankenversicherung gewährt. Es werden jedoch hier die Kosten für ärztliche, chirurgische und medizinische Behandlung zu 100 % übernommen. Bei einem Krankenhausaufenthalt wird weder die Tagespauschale noch die Pauschale von 24 € für aufwendige Leistungen erhoben. Bestimmte Leistungen, wie Zahnersatz oder kieferorthopädische Apparaturen, werden zu einem Satz von 150 % übernommen.

Durch die direkte Abrechnung mit der Krankenversicherung hat der Verletzte die Behandlungskosten nicht vorzustrecken. Die zuständige Kasse begleicht Ärzte, andere medizinische Leistungserbringer und Krankenanstalten direkt.

2 - Geldleistungen

Tagegeld

Das Unfalltagegeld muss versteuert werden. Auch müssen davon

  • 0,5 % als Beitrag zur Abtragung der Sozialversicherungsschulden (CRDS) und
  • 6,2 % als allgemeiner Sozialbeitrag (CSG) abgeführt werden.

In jedem Fall darf der Betrag des täglichen Verletztengeldes nicht über dem Nettoentgelt pro Tag liegen.

Vorübergehende Entschädigung bei Arbeitsuntauglichkeit

Der Versicherte, der aufgrund einer Berufskrankheit arbeitsuntauglich ist, kann ab dem Ausstelldatum der Arbeitsuntauglichkeitsbescheinigung, für eine Höchstdauer von einem Monat eine Entschädigung erhalten, vorausgesetzt er erhält während dieser Zeit kein Arbeitsentgelt und erfüllt die weiteren Anspruchsvoraussetzungen.

Der Betrag ist identisch mit dem zuletzt erhaltenen Verletztengeld, das er während der Krankschreibungszeit, welche auf einem Arbeitsunfall bzw. einer Berufskrankheit beruht und die Untauglichkeit zur Folge hat, bezog.

Die Bezugsdauer beträgt generell einen Monat, kann aber in folgenden beiden Fällen verkürzt werden:

B - LEISTUNGEN BEI DAUERHAFTER ARBEITSUNFÄHIGKEIT (RENTEN)

Zum Zeitpunkt der Konsolidierung wird der Versicherte durch einem Vertrauensarzt der Krankenversicherung untersucht. Sollte dieser Folgeschäden feststellen, wird der Grad der bleibenden Erwerbsunfähigkeit festgestellt.

Weder der Allgemeine Sozialbeitrag (CSG) noch der Beitrag zur Abtragung der Sozialversicherungsschulden (CRDS) werden von dieser einmaligen Geldleistung abgezogen. Sie unterliegt auch nicht der Einkommenssteuerpflicht.

Grad der Erwerbsminderung Beträge (Stand 01.04.2024)
1 % 471,54 €
2 % 766,46 €
3 % 1.120,02 €
4 % 1.767,81 €
5 % 2.239,50 €
6 % 2.769,91 €
7 % 3.358,99 €
8 % 4.007,52 €
9 % 4.714,69 €

1 - Rente des Verletzten

Bei der Berechnung des Betrags der Rente sind zwei Werte zu berücksichtigen: der Grad der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit, früheres Entgelt. Die Rente wird lebenslänglich, bis zum Tode des Versicherten gezahlt.

a) Grad der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit (taux d'incapacité permanente – IPP)

Der Grad der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit (taux d'incapacité permanente – IPP) wird wie folgt festgestellt:

In einem ersten Schritt bestimmt die Ortskrankenkasse den Grad der tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit aufgrund eines Gutachtens, einer offiziellen Berechnungstafel, des Allgemeinzustands, des Alters, der körperlichen und geistigen Fähigkeiten, sowie der Eignung und der beruflichen Kompetenz des Verletzten.

Der so bestimmte Satz wird daraufhin berichtigt: Der Anteil bis zu 50 % wird um die Hälfte verringert, wohingegen der Anteil, der 50 % übersteigt, um die Hälfte erhöht wird.

Beispiel

Es wurde ein Grad von 70 % bestimmt, er wird folgendermaßen berichtigt:

  • (50 % : 2) + ( 20 % x 1,5) = 25 % + 30 % = 55 %. Der Satz der Rente beträgt 55 %.

b) Entgelt

Es werden weder der Allgemeine Sozialbeitrag (CSG) noch der Beitrag zur Abtragung der Sozialversicherungsschulden (CRDS) noch Einkommenssteuer von den Renten erhoben.

Das Mindestjahresentgelt (S), das der Berechnung einer Verletztenrente bei einer Arbeitsunfähigkeit von mindestens 10 % zu Grunde gelegt wird, beläuft sich auf 20.971,34 €. Dies ist der Mindestbetrag der Unfallrente (Stand 01.04.2024).

Bis zu einer Höhe von dem zweifachen Entgelt S (20.971,34 € x 2 = 41.942,68 €) wird das Arbeitsentgelt des Verletzten vollständig berücksichtigt. Der Anteil des Arbeitsentgelts, der den Betrag von 2 S übersteigt, ohne den Betrag von 8 S (= 167.770,72 €) zu übersteigen, wird zu einem Drittel angerechnet.

Alles was das 8 fache des Mindestjahresentgelts übersteigt, bleibt unberücksichtigt.

c) Drittperson

Beträgt der Grad der dauerhaften Arbeitsunfähigkeit des Verletzten mindestens 80 % und ist er unfähig, allein mindestens 3 Aufgaben des täglichen Lebens zu bewältigen, hat er gegebenenfalls zusätzlich zur Erwerbsunfähigkeitsrente Anrecht auf die Zusatzleistung zur Finanzierung einer Pflegeperson (prestation complémentaire pour le recours à une tierce personne – PCRTP).

Die Höhe der Zusatzleistung zur Finanzierung einer Pflegeperson hängt vom Pflegebedürfnis des Verletzten ab. Die Bestimmung des Pflegebedürfnisses durch den Vertrauensarzt der zuständigen Kasse erfolgt anhand einer Liste mit zehn Verrichtungen des täglichen Lebens, zu welchen der Verletzte die Hilfe einer dritten Person benötigt

Die Leistung kommt mit drei folgenden Pauschalbeträgen zur Auszahlung (Stand. 01.04.2024):

2 - Rente für Hinterbliebene

Von dieser Rente wird weder der Allgemeine Sozialbeitrag (CSG) noch der Beitrag zur Abtragung der Sozialversicherungsschulden (CRDS) abgezogen und unterliegt auch nicht der Einkommenssteuer.

Führt der Unfall oder die Berufskrankheit zum Tode des Opfers, haben folgende Personen Anrecht auf eine Hinterbliebenenrente:

Der Gesamtbetrag der Renten für Hinterbliebene darf nicht mehr als 85 % des Jahresentgeltes ausmachen, welches zur Berechnung herangezogen wurde (gegebenenfalls wird die Höhe einer jeden Verletztenrente gekürzt.)

Weitere Informationen finden sich auf der Webseite Ameli - risques professionnels.